Gerne teile ich mit Ihnen die Hintergründe zu unserer aktuellen Studie und lasse Sie daran teilhaben, wie es zu der Studie kam.
Wie kam es zu der Studie?
Seit ich zum ersten Mal von Hunden gehört hatte, die Diabetiker vor Unterzuckerungen warnen, beschäftigte mich die Frage, was die Hunde merken können. 2007 fing ich deshalb an, mich mit der Anatomie von Hunden zu beschäftigen und mich bei Diabetologen und Diabetesberatern zu informieren, was genau im Körper bei Typ 1 Diabetikern bei Unterzuckerungen und Überzuckerungen passiert. Im selben Jahr startete ich mit Kollegen die Verhaltenstudie: „Verhalten von Hunden beim Warnen“. In der Verhaltensstudie wurden 1712 Hunde beobachtet und gefilmt, während sie mit Betroffenen relevanter Erkrankungen zusammen waren. Der Schwerpunkt lag auf dem Warnverhalten von Hunden. Hierbei wurde die Reaktion der Hunde auf Hypogklykämien und Hyperglykämien bei Typ1 Diabetikern, auf fokale Anfälle von Epileptikern, Asthmaanfälle, Migräneanfälle und Sauerstoffmangel dokumentiert. Nur diejenigen Hunde, die über die angeborene Fähigkeit verfügten, zu warnen, reagierten ohne Training erhalten zu haben. Die anderen Hunde zeigten keine Reaktion.
Selbe Reaktion
Diejenigen die warnten, zeigten in jedem Fall die selbe Reaktion und warnten immer auf die gleiche Art, unabhängig von der Erkrankung. Ein Hund, der bei einem Diabetiker eine drohende Hypoglykämie anzeigte durch stupsen an der Hand, zeigte ebenfalls eine drohende Überzuckerung, Sauerstoffmangel, einen Asthmaanfall, einen Migräneanfall und einen fokalen Anfall bei anderen Menschen durch stupsen an der Hand an.
Im Vergleich reagierte jeweils der selbe Hund allerdings auf andere Krankheitszustände, die ebenfalls von Hunden bemerkt werden, wie Panikattacken, Flashbacks, Dissoziationen und Depressionen anders, nämlich durch anspringen und nicht durch stupsen.
Aus diesem Grund war anzunehmen, dass Hunde bei Hypoglykämien, Hyperglykämien, fokalen Anfällen, Asthmaanfällen, Migräneanfällen und Sauerstoffmangel, das selbe wahrnehmen, während sie bei Dissoziationen, Flashbacks, Depressionen und Panikattacken etwas anderes wahrnehmen.
Alle Hunde, die bei Hypoglykämien, Hyperglykämien, fokalen Anfällen, Asthmaanfällen, Migräneanfällen und Sauerstoffmangel warnten, zeigten jedes Mal den selben Ablauf:
Ablauf beim Warnen
- Der Hund unterbricht seine vorherige Tätigkeit
- Der Hund bewegt seine Ohren, als würde er eine Geräuschquelle lokalisieren wollen
- Der Hund geht zu dem Betroffenen. Falls mehrere Menschen in einem Raum sind und der Betroffene nicht sofort zugänglich ist, sucht der Hund den Betroffenen, mit aufgerichtetem Kopf
- Der Hund nimmt Sichtkontakt zu dem Betroffenen auf, indem er ihm in die Augen schaut
- Der Hund hält seinen Kopf in die Richtung des Betroffenen
- Der Hund richtet die Ohrmuscheln auf den Betroffenen
- Der Hund zeigt an durch stupsen, lecken oder Pfote auflegen
Die Sinne der Hunde
Bei der Verhaltensstudie fiel ebenfalls auf, dass die Nase der Hunde sich bei diesem Ablauf nicht bewegte. Auch, als die Hunde anzeigten und sich der Kopf des Hundes dem Menschen näherte, bewegte sich die Nase keines Hundes.
Im Vergleich wurden Riechübungen mit den Hunden durchgeführt, um zu beobachten, wie die Nase der Hunde sich verhielt, wenn die Hunde etwas riechen. Wenn die Hunde etwas rochen, wie Leckerlis auf dem Boden, bewegte sich ihre Nase und bei den meisten Hunden war ein deutliches Geräusch des Riechens zu hören.
Zusätzlich wurde beobachtet, dass Hunde, die über die angeborene Fähigkeit zu warnen verfügten, zwar die tatsächlich auftretenden Veränderungen bei Diabetikern, Epileptikern, Asthmatikern oder Migräne Patienten zuverlässig anzeigten, aber Geruchsproben ignorierten.
Im Juli 2013 wurde in dem Magazin der American Diabetes Association die Studie „Can trained dogs detect a hypoglycemic scent in patients with type 1 diabetes“ veröffentlicht von Dehlinger K., Tarnowski K., House J., Los E., Hanavan K., Bustamante B., Ahmann A., Ward W.. Ziel der amerikanischen Studie war herauszufinden, ob es ein Geruch sei, auf den Diabetikerwarnhunde reagieren. Hierfür wurden Diabetikerwarnhunden Geruchsproben gezeigt, die mit einem Wattebausch von Typ 1 Diabetikern während Hypoglykämien und normalen Blutzuckerwerten genommen wurden. Die Hunde wurden ausgewählt, weil sie als ausgebildete Diabetikerwarnhunde von einer Assistenzhundorganisation über genau diese Geruchsproben ausgebildet wurden und jetzt zuverlässig bei den Typ 1 Diabetikern, bei denen sie leben warnen. Deshalb waren die Trainer und Forscher sich sicher, dass die Hunde die Geruchsproben zuverlässig erkennen würden in der Studie. Allerdings konnten die Hunde die Geruchsproben in der Studie nicht erkennen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Hunde nicht in der Lage sind Hypoglykämien anhand von Geruchsproben zu erkennen. Da die Hunde zwar die Geruchsproben nicht erkannten, aber vor Unterzuckerungen bei den Diabetikern warnten, mit denen sie zusammen lebten, gingen die Forscher davon aus, dass die Hunde etwas anderes als einen Geruch wahrnehmen, wenn sie warnen.
Diese, unabhängig voneinander erzielten, Ergebnisse legten nahe, dass die Hunde, die Diabetiker, Epileptiker, Asthmatiker oder Migräne Patienten warnen, nicht auf Gerüche reagieren.
Der Tastsinn und der Geschmackssinn kommen nicht in Frage, da viele Hunde den Betroffenen anstarrten und somit das Anzeigen begannen ohne direkten Kontakt zum Betroffenen.
Der Sehsinn konnte ebenfalls ausgeschlossen werden, da die Hunde Hypoglykämien und Hyperglykämien auch durch verschlossene Türen, unter Decken und nachts im Dunkeln angezeigt hatten, wenn sie den Betroffenen nicht sehen konnten. Bereits 2003 beschäftigten sich Experten mit der Frage, mit welchen Sinnen Hunde epileptische Anfälle im Vorfeld wahrnehmen. Da bereits 2003 Fälle bekannt waren, in denen Hunde epileptische Anfälle anzeigten ohne den Menschen sehen zu können, ging man davon aus, dass sie andere Sinne als den Sehsinn verwenden.
Übrig blieb der Hörsinn. Neben dem Riechsinn gehört der Hörsinn zu den herausragendsten Sinnen des Hundes. Im Vergleich zum Menschen verfügt der Hund über einen vielfach besseren Hörsinn. Auffällig war zudem, dass die Hunde vor jedem warnen Ohrenbewegungen zeigten. Zusätzlich konnte beobachtet werden, dass diejenigen Hunde, die gewarnt haben, bei Alltagsgeräuschen verstärkt auf Geräusche reagierten im Vergleich zu denjenigen Hunden, die nicht warnten.
Diese Beobachtungen dienten zu der weiteren Forschung, was im Körper von Diabetikern, Epileptikern, Migränepatienten, Asthmatikern und Patienten mit Sauerstoffmangel in akuten Situationen passiert, was die Hunde eventuell hören könnten.
Im Körper der Betroffenen
Ausgehend von den bisherigen Erkenntnissen musste nun direkt dort angesetzt werden, um herauszufinden, was die Hunde bemerken im Körper von Betroffenen.
Zuerst gingen wir alle Anzeichen durch, die Hunde wahrnehmen könnten, wie erweiterte Pupillen bei Hypoglykämien und epileptischen Anfällen. In dem Moment, wenn Hunde warnten waren die Pupillen nicht erweitert.
Schnell wurde klar, dass der Schlüssel darin lag, herauszufinden, was genau in der Sekunde passiert, wenn die Hunde warnen, unabhängig von anderen Faktoren wie Blutzuckerwerten oder Anfällen.
In der Verhaltenstudie wurde ebenfalls herausgefunden, dass diejenigen Hunde, die bei Hypoglykämien, Hyperglykämien und fokalen Anfällen warnen, direkt vorher den Kontakt zu einer der beiden Körperstellen des betroffenen Menschen suchen:
In allen Fällen nehmen die Hunde Kontakt auf über den Mund des Menschen oder hinter dem Ohr, an der Halsschlagader des Menschen.
Zusätzlich befragten wir Diabetiker, was sie in ihrem Körper in dem Moment bemerken, wenn die Hunde warnen. In vielen Fällen konnten die Diabetiker nichts bemerken, vereinzelt wurde allerdings angegeben, dass das Atmen minimal schwerer fällt, ähnlich dem Gefühl beim Tauchen, wenn Wasser in die Nase gelangt. In anderen Fällen wurde genannt, dass die Halsschlagader plötzlich stark pochen würde, kurz bevor der Hund warnen würde.
Die peripheren Chemorezeptoren, die für die Atmungsregulation beim Menschen zuständig sind, befinden sich an der Halsschlagader und an den großen Lungenaorten. Die Chemorezeptoren melden eine Abnahme des Sauerstoffpartialdrucks (pO2) an das Atemzemtrum, wodurch die Atemgeschwindigkeit minimal verändert wird.
Diese Beobachtungen und Überlegungen waren entscheidend dafür, dass wir davon ausgingen, dass das, was die Hunde im Körper von Betroffenen wahrnehmen, mit dem Mund und damit dem Atmen, der Halsschlagader und einer Abnahme des Sauerstoffpartialdruckes zusammenhängt. Jetzt konnten wir weiter forschen:
Die Sauerstoffsättigung
In einer Studie von 2013 „Frontal hemodynamic changes precede EEG onset of temporal lobe seizures“ von Seydal, wurde herausgefunden, dass sich bei fokalen Anfällen nicht nur der Sauerstoffpartialdruck, sondern auch die Sauerstoffsättigung verändern.
Da die Sauerstoffsättigung im Vergleich zum Sauerstoffpartialdruck mit nicht invasiven Methoden unkompliziert bestimmt werden kann, begannen wir in unserer Studie mit der Bestimmung der Sauerstoffsättigung.
Kontrollstudien
Andere Krankheitszustände, auf die Hunde reagieren
Da bekannt war, dass Hunde auf andere Krankheitszustände wie Panikattacken, Flashbacks und Dissoziationen anders reagieren als auf Hypoglykämien, fokale Anfälle usw., sollte unter gleichen Voraussetzungen überprüft werden, ob während dieser anderen Erkrankungen ebenfalls der Sauerstoffsättigungsgehalt sinkt, aber die Hunde nicht ihr Warnverhalten zeigen. In der Kontrollstudie 1 verbrachten vier Frauen die unter Dissoziationen, Panikattacken und Flashbacks leiden, unter den gleichen Bedingungen wie Diabetiker, Epileptiker, Asthmatiker und Migräniker, an drei Tagen jeweils eine Stunde täglich mit einem Warnhund. Zu Beginn wurde der individuelle normale SpO2 Wert bestimmt. Über die Studiendauer zeigten alle Frauen mehrmals täglich Panikattacken, drei der Frauen Dissoziationen und zwei der Frauen hatten nach eigenen Angaben Flashbacks. Während der gesamten Studiendauer veränderte sich der SpO2 Wert der Frauen nicht. Keiner der Hunde zeigte während der Kontrollstudie 1 Warnverhalten. Als bei den Frauen Panikattacken und Flashbacks auftraten, zeigte keiner der Hunde verändertes Verhalten.
Als die Frauen dissoziierten, versuchten drei der Hunde die Frauen anzuspringen, zeigten aber innerhalb von einer Minute leichte Stressanzeichen und Verunsicherung. Vier der Hunde zogen sich zurück und vermieden bewusst die Nähe, als die Frauen dissoziierten. Die anderen Hunde zeigten keine Veränderung.
Taube Hunde
Um die These des Hörsinns zu überprüfen, haben wir eine Kontrollstudie durchgeführt mit zwei Collie Hündinnen, die beide taub sind. Beide Hündinnen haben ihren Besitzer, einen Diabetiker bis vor zwei Jahren vor Hypoglykämien und Hyperglykämien gewarnt.
Bei dieser Kontrollstudie traf eine Typ 1 Diabetikern, bei der die anderen Hunde zuvor bei der Studie bereits zuverlässig gewarnt hatten, einzeln auf beide Collies. Die Diabetikerin trug das Puls Oximeter am Finger und maß ihren Blutzucker. Beide taube Collies reagierten nicht auf ein Sinken des SpO2 und ignorierten Blutzuckerwerte von 62, 212 und 329. Sie begrüßten die Diabetikerin zwar freundlich und zeigten sich während der gesamten Studie entspannt. Sie zeigten aber keine Reaktion auf die Veränderungen der Sauerstoffsättigung und des Blutzuckers.
Luca Barrett