Kastration bei Assistenzhunden

Ein häufig diskutiertes Thema unter Hundefreunden ist die Kastration. Allerdings ist die Kastration von Familienhunden absolut von der Kastration von Assistenzhunden und Blindenführhunden zu unterscheiden. Das eine kann mit dem anderen nicht verglichen werden.

Bei Familienhunden vertrete ich die Ansicht, dass ein Hund nicht kastriert werden muss, wenn er keine so starken Probleme, wie gesundheitliche, hat, die eine Kastration erfordern. Ein Rüde der in einer Familie lebt darf Hündinnen hinter her fiepen oder tagelang auf Spaziergängen nur seine Nase auf dem Boden haben, wenn eine Hündin in der Nachbarschaft läufig ist. Er darf sein Futter verweigern und nicht mehr ansprechbar sein, wenn die Nachbarshündin läufig ist. Er darf theoretisch auch Hündinnen penetrant hinterher laufen und sie belästigen. Es liegt an jedem Hundebesitzer, wie viel er duldet.

Eine Hündin, die als normaler Familienhund lebt, darf ein, zwei oder drei Mal im Jahr läufig werden. Die Hündin ist unkonzentriert und stellt ihre Ohren auf Durchzug. Wenn ihr andere Hündinnen begegnen, kann sie zickig werden. Die Familie wischt notfalls in dieser Zeit hinter der Hündin her und passt auf, dass sie keine Rüdenbegegnungen und Hündinnenbegegnungen hat

Aber was ist, wenn eine Frau mit Epilepsie, darauf angewiesen ist, dass die Hündin, sie jeden Tag zur Arbeit, in den Supermarkt, Geschäfte und Kino begleitet, weil die Hündin sie zuverlässig warnen soll vor Anfällen. Kein Supermarkt, kein Geschäft, kein Arbeitgeber und kein Kino möchte eine Hündin, die blutet weil sie läufig ist, ins Geschäft lassen. Zu Recht! Selbst wenn die Hündin ein Höschen trägt, wird sie nicht als sauber angesehen und Geschäfte und Supermärkte können sie des Ladens verweisen. Garantiert aber wird die Frau mindestens auf die „Verkleidung“ ihrer Hündin angesprochen. Ganz zu schweigen von den Hundebegegnungen: Wenn Assistenzhunde und Blindenführhunde nie kastriert wären, würden häufig unkastrierte Hunde im Dienst aufeinander treffen. Was passiert wohl, wenn eine läufige Hündin im Supermarkt einkaufen geht und ein unkastrierter männlicher Blindenführhund ebenfalls. Ziemlich sicher würde der Rüde den Sehbehinderten durch den Supermarkt ziehen, um zu der läufigen Hündin zu kommen. Und auch im Alltag ist es nicht möglich, wenn ein Assistenzhund immer mitgenommen wird, Begegnungen mit anderen Hunden völlig zu vermeiden, wenn der Hund eigentlich im Dienst ist und seinem Partner helfen soll.

Die Standards für Assistenzhunde und Blindenführhunde geben vor, dass sie im Dienst nicht schnüffeln dürfen, jederzeit konzentriert ihre Arbeit machen können, sich nicht ablenken lassen dürfen im Dienst und andere Hunde ignorieren müssen.

Wie soll ein unkastrierter Rüde das schaffen, wenn in der Nachbarschaft zur selben Zeit mehrere Hündinnen läufig sind? Menschen mit Behinderungen sind auf ihre Assistenzhunde und Blindenführhunde angewiesen, deshalb haben sie sie. Sie können sich nicht erlauben Tage oder gar Wochen auf die wertvolle Arbeit ihres Partners auf Vier Pfoten zu verzichten. Geschweige denn, dass ein unkastrierter Assistenzhund oder Blindenführhund ein Sicherheitsrisiko für seinen Partner mit der Behinderung darstellt. Stellen Sie sich einen Sehbehinderten vor, der von seinem Blindenführhund über eine befahrene Straße gezogen wird, nur weil auf der anderen Seite ein potentieller „Partner“ läuft. Oder eine Frau im Rollstuhl, deren Assistenzhund sie aus dem Rollstuhl zieht und wegläuft, nur um einem Artgenossen zu folgen. Oder möchten Sie, dass Ihr Kind mit Autismus von seinem  Autismushund durch die Gegend gezogen wird?

Aus gutem Grund schreibt deshalb die Krankenkasse vor, dass alle Blindenführhunde kastriert sind, bevor sie dem Partner übergeben werden.

Auch für Assistenzhunde wird national und international die Kastration empfohlen. Alle großen Assistenzhundorganisationen weltweit kastrieren ihre Hunde zur Abschlußprüfung, für eine optimale Arbeitsleistung der Hunde, ein Einhalten der Standards und für die Sicherheit der behinderten Partner.

Für die Ausbildung zum Assistenzhund beim Deutschen Assistenzhunde-Zentrum ist eine Kastration keine Pflicht. Assistenzhunde sollten nicht zu früh kastriert werden, um negative Folgen zu vermeiden. Fertig ausgebildete Assistenzhunde in Fremdausbildung gibt das Deutsche Assistenzhunde-Zentrum nur kastriert ab, aus oben genannten Gründen. Alle Assistenzhunde auch in Selbstausbildung, die zur Prüfung angemeldet werden, müssen jedoch spätestens bis zum Prüfungstermin kastriert sein, um geprüft in den Dienst gehen zu können.

Allerdings muss dies nicht immer eine Operation sein! Ist ein Assistenzhund bereits älter als 4 Jahre oder es sprechen andere Gründe gegen eine Operation zur Kastration, ist möglich den Assistenzhund auch chemisch bei Hündinnen über eine Spritze und bei Rüden über den Kastrationschip kastrieren zu lassen. Im diesem Fall müssen die Assistenzhunde jährlich zu einer Nachprüfung erscheinen und hierbei die wiederholte chemische Kastration nachweisen.

Sie sollten nie vergessen: Assistenzhunde sind Arbeitshunde und keine normalen Familienhunde!

Head Assistenzhundtrainerin Jana Bosch

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